Die Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Rapperswil-Jona besteht seit 1838 und bildete schon damals eine Einheitsgemeinde mit Rapperswil und Jona. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts lebten nur sehr wenige evangelischen Bürger im Seebezirk. Da die evangelischen Kinder nicht in der katholischen Ortsschule aufgenommen wurden, eröffnete die evangelische Gemeinde eine eigene Schule. Der erste Pfarrer Caspar Melchior Wirth wurde 1838 in sein Amt eingesetzt. Nach seinem Amtseintritt wuchs die Kirchgemeinde rasch an.
Eine erste Kirche entsteht
1839 begann der Bau für die Kirche an der Zürcherstrasse durch «Frondienste» freiwilliger Mitarbeiter. Bereits Ende August 1840 konnte das Aufrichtemahl gefeiert werden. Der Bau der Kirche belastete die Gemeindefinanzen stark. Die beiden grossen Gönner Fabrikant Albert Brändlin-Staub vom Meienberg sowie Fabrikant und langjähriger Kirchenpräsidenten Oberst Johannes Hürlimann halfen aber, die Schulden der Kirchgemeinde zu tilgen. 1862 verbesserte sich die finanzielle Lage zusehends. Mit der neuen Kantonsverfassung erhielt die Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde das Steuerrecht. 1870 übernham Nationalrat Heinrich Bühler-Honegger, Leiter der Maschinenfabrik Rüti, das Kirchenpräsidium und führte die Gemeinde mit viel Geschick. Dank seinen grosszügigen Spenden konnte die notwendige Kirchenrenovation durchgeführt werden.
Aufbau, Wachstum und Sozialarbeit
Zum 50-Jahr-Jubiläum (1888) wurde ein eigener Kirchenchor gegründet. Als erster Dirigent übernahm Lehrer Fritz Eppenberger die Chorleitung. 1922 war die Gemeinde bereits auf über 760 Mitglieder angewachsen. In den Krisenjahren rund um 1932 setzte sich die evangelische Armenpflege intensiv in der Arbeitslosenfürsoge ein. Regelmässig erfreuten die Kommissionsmitglieder der Kirchenvorsteherschaft Arme, Alte und Kranke sowie kinderreiche Familien mit ihren Gaben. Immer wieder erhielt die Kirchgemeinde grosszügige Spenden und Schenkungen. Unter anderem das Areal «Bürkligut» sowie den «Alten Pfauen» mit Parkanlagen von den beiden Donatorinnen Julie und Nanny Bürkly. Heute steht das Evangelische Zentrum Rapperswil (EZRA) auf diesem Areal. In dieser Zeit rief die Kirchgemeinde Vereine ins Leben, die bis heute bestehen. Der damals von A. Schkölziger gegründete Missionsverein ist bis heute für den alle zwei Jahre stattfindenden Bazar tätig, mit dem jeweils Missionsprojekte unterstützt werden. Die ab den 50er Jahren organisierten «Mütterfreizeiten» entwickelten sich zu den heutigen Seniorenferien.
Jubiläen und Kriegsjahre
Die 100-Jahrfeier der Kirchgemeinde fiel mitten in die Wirtschaftskrise. Das Bauvorhaben eines neuen Kirchgemeindehauses musste 1943 wegen des Zweiten Weltkrieges zurückgestellt und schliesslich endgültig begraben werden. Anstelle eines neuen Baus verstärkte die Kirchgemeinde die Hilfe an Notleidende und Kriegsgeschädigte. 1945 erwarb die Gemeinde die Liegenschaft «Humbel», auf der später das Pfarrhaus an der Kirchstrasse 46 gebaut wurde. Ausserdem wurde 1946 ein Hilfspfarramt geschaffen. Inzwischen war die Gemeinde bereits auf 3’000 Mitglieder angewachsen.
Rasches Wachstum und Blütezeit
Eine aktive Jugendarbeit bereicherte in den 50er Jahren das Gemeindeleben. Männerabende sowie Frauen- und Müttertreffen wurden ins Leben gerufen, Vortragsveranstaltungen und Mütterfreizeiten organisiert. 1950 weihte die evangelische Schulgemeinde das grosszügig angelegte Schulhaus «Hanfländer» ein. Kurz darauf folgten weitere Bauprojekte, zum Beispiel die Gesamtrenovation der Kirche. 1964 wurde das neue Kirchgemeindehaus Rapperswil eingeweiht, das noch heute besteht. Auch personelle Veränderungen wurden vorgenommen. So stellte die Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde 1962 erstmals eine Gemeindehelferin ein. Ein Jahr später wählte die Kirchgemeinde Pfarrerin Martha Stuber von Biberist zur ersten vollamtlichen Pfarrerin im Kanton St. Gallen. Dank dem 1968 erteilten Frauenstimmrecht in der Kirche wählte die Gemeinde 1970 erstmals zwei Frauen in die Kirchenvorsteherschaft. Bedingt durch das rasche Wachstum der Gemeinde (rund 6’200 Mitglieder) kam es 1972 zur Anstellung eines Diakons mit Schwerpunkten Jugendarbeit und Religionsunterricht. Auch das Gemeindeleben entwickelte sich laufend weiter. So wurden neben monatlichen Altersnachmittagen, wöchentlich Spielnachmittage sowie ein Besuchsdienst für Kranke und Behinderte eingeführt. Zusätzlich wurde die Kirchenmusik intensiviert, sodass die Gemeinde öfters in den Genuss von klassischer und geistlicher Musik kam. Die Kirchgemeinde entwickelte jedoch nicht nur ihr Angebot für die eigenen Mitglieder weiter. Auch die Beziehung zur katholischen Kirchgemeinde wurde intensiviert. Das Einführen von Suppentagen, ökumenischen Veranstaltungen und Gottesdiensten sowie der gemeinsame Bau von Alterswohnungen förderte die ökumenische Zusammenarbeit. Über die Jahre entwickelte sich in Rapperswil-Jona eine intensive Ökumene.
Zweiter Standort in Jona
Da die Gemeinde über die Jahre stetig gewachsen ist, beantragte die Kirchenvorsteherschaft im Jahr 1972 den Bau des Evangelischen Kirchenzentrums Jona (EZJ). Viele Gemeindemitglieder stellten zinsloses oder gar à fond perdu privates Kapital zur Verfügung. Aufgrund der stetig wachsenden Verwaltungsaufgaben wurde im selben Jahr ein Sekretariat geschaffen mit Paul Wydler als ersten Sekretär. 1975 konnte das neue Kirchgemeindezentrum Jona mit einem feierlichen Eröffnungsgottesdienst eingeweiht werden. Auch eine dritte Pfarrstelle wurde geschaffen. Seither pulsiert reges Leben durch das Haus. Die Dienstgruppe «Diakonie» baute in den kommenden Jahren ihre Tätigkeit mit Altersausflügen sowie regelmässigen Besuchen in Pflegeheimen und Krankenhäusern aus. Dialoge mit der Bibel wurden neu in den Jahreszyklus aufgenommen. 1979 erfolgte eine grössere Renovierung des Kirchgemeindehauses in Rapperswil und 7 Jahre später des Pfarrhauses an der Kirchstrasse. Die Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde wuchs bis 1982 auf rund 6’900 Mitglieder an. Durch die Zusammenführung der reformierten und der katholischen Schulen musste der Religionsunterricht vermehrt durch freiwillige Kräfte der Kirchgemeinde erteilt werden. 1988 feierte die Kirchgemeinde ihr 150-jähriges Jubiläum.
Neue Herausforderungen, vierte Pfarrstelle und intensivierte Jugendarbeit
Diakonisches Handeln nimmt im Leben unserer Kirchgemeinde einen breiten Raum ein und wird auch in der Kirche der Zukunft ein Schwergewicht bilden. Dank der Mitarbeit von vielen Freiwilligen wurde die Sozialarbeit in vielen Bereichen intensiviert. In den letzten Jahren stiegen die Anforderungen an die Gemeinde an. Als Konsequenz daraus stellte die Kirchgemeinde zusätzliche Religionslehrfachkräfte und Jugendarbeiter ein und schuf eine vierte Pfarrstelle (50 %) für die Frauenarbeit. Der Kirchgemeinde Rapperswil-Jona ist die aktive Einbindung der Jugend in die Kirche sowie die Seniorenbetreuung ein grosses Anliegen. Mit vielen speziellen Angeboten und Dienstleistungen werden Begegnungsräume zur Verfügung gestellt, Glaubensfragen thematisiert sowie Treffpunkte für Menschen in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen geschaffen. Seit 2012 ergänzt in allen reformierten Kirchgemeinden des Kantons St. Gallen das Programm «Pfefferstern» den Religionsunterricht in der Oberstufe. 2013 feierte die Kirchgemeinde ihr 175-jähriges Jubiläum mit einer auf das ganze Jahr verteilten Gottesdienstreihe sowie weiteren Jubiläums-Veranstaltungen. Ein eigens dafür geschaffenes Jubiläumsmagazin und eine Website, die mittlerweile nicht mehr aktiv ist, gaben detailliert Auskunft über alle Feierlichkeiten in diesem Jahr.
In der 170-jährigen Geschichte kämpfte die Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Rapperswil-Jona erfolgreich mit vielen Schwierigkeiten und prägte nachhaltig das Gemeindeleben der Stadt Rapperswil-Jona. Schon früh bekannte sie sich zur Einheit und folgte ihrem Dienst in der Verkündigung und Solidarität mit Benachteiligten. Ein prägendes Element der Kirchgemeinde war und ist bis heute die Freiwilligenarbeit.