Text: Hanspeter Aschmann | Foto: Jacqueline Furrer
Dein Wort ist eine Leuchte meinem Fuss und ein Licht auf meinem Pfad.
Psalm 119,105
Dieser kurze und klar verständliche Vers begleitet mich schon seit vielen Jahren. Unser Leben als Weg, den wir beschreiten, ja erwandern, das ist ein Bild, das uns vertraut ist. Unsere Lebenswege sind einerseits alle ähnlich, andererseits aber immer auch individuell recht verschieden. Und je nach Lebensalter befinden wir uns auch je und je auf einem anderen Wegabschnitt. Und so sind wir für konkrete Schritte, die uns auf unserem Weg voranbringen, immer wieder neu auf Wegweisung – so übersetzt Martin Luther das Wort «Thora» in Psalm 119 – angewiesen: Sie wird hier verglichen mit dem Licht, auf das wir angewiesen sind, um keine Fehltritte – durch Hindernisse oder in Abgründe und Verirrungen zu riskieren. Was mich an diesem Psalmwort besonders fasziniert, ist, dass dieser Psalmbeter, der oft von Gesetzen, Befehlen und Vorschriften Gottes spricht, hier ganz neutral von Gottes Wort als Licht auf dem Weg spricht. Ganz am Anfang steht im Schöpfungsbericht ja Gottes Weisung: «Es werde Licht!» Auch Jesus konnte von sich sagen: «Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern das Licht des Lebens haben». Er ist für uns Christen also quasi die lebendig gewordene Thora oder Weisung Gottes, das Mensch gewordene Wort. Das Schrift gewordene Wort Gottes und Mensch gewordenes Wort Gottes sind nur miteinander zu haben: In der Offenbarung von Gottes Willen wird darum – in christlicher Deutung – auch das Mensch gewordene Gotteswort, Jesus Christus, bezeugt. Gottes Wort leuchtet uns dann nicht nur als Wegweisung zur stabilen Lebensordnung, sondern auch als Licht von Glaube, Liebe und Hoffnung. Auch dann noch ist nicht zu erwarten, dass alle Finsternis aus den letzten Winkeln auf unserem Lebensweg vertrieben und alle unsere Lebensfragen auf einen Schlag beantwortet sind. Aber wir überblicken unseren Weg soweit, dass wir ermutigt und erleichtert den nächsten Schritt wagen können.