Vor uns das Leben

Text: Heinz Fäh | Foto: ökum. Gottesdienst am Blues’n’Jazz

«Vor uns das Leben», heisst das Motto über dem Jahr, das die reformierte und die katholische Kirche Rapperswil-Jona bis zum Bettag 2024 gemeinsam gestalten werden.
Die Geburtenrate sinkt, die Preise steigen, zunehmend regieren Despoten, das Klima spielt verrückt und die Jugend fragt: Was habt ihr uns für eine Welt hinterlassen? Als Kirchen sind wir herausgefordert, darauf Antworten zu geben. Jesus sagte: «Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.» Er ist angetreten, die Welt zu verändern. Eine Kirche, die dieser Vision nicht nachlebt, hat ausgedient.

Doch wie dient die Kirche dem Leben? Die alten konfessionellen Spaltungen führen da jedenfalls nicht weiter. Ökumene muss heute mehr sein, als blosse Gastfreundschaft. Man kann die Geschichte nicht heilen, aber wir können uns mit ihr versöhnen und einen neuen Umgang miteinander finden. Ökumene ist ein Weg des Lernens und des gemeinsamen Wirkens. Sie ist anspruchsvoll, weil sie die Bereitschaft voraussetzt, von den anderen etwas anzunehmen.
Von den Reformierten lernte ich, dass jeder Mensch vor Gott Verantwortung trägt, von den Katholiken, dass die weltweite Kirche eine grosse Familie ist, von den Orthodoxen die Schönheit und das Geheimnis der Liturgie, von den Pfingstlern die begeisternde Ergriffenheit durch Gottes Geist, von unserer afrikanischen Partnerkirche Lebensfreude, Glaubenskraft und tätige Nächstenliebe. Was wäre das für eine Kraft, wenn sich dies alles in versöhnter Vielfalt vereinen liesse?

Vor uns liegt das Leben – fragt sich bloss, welches? Unser Leitstern ist Christus, unsere gemeinsame Vision ein befreites, vorurteilsloses, von Angst und Gier erlöstes Leben für alle. Wie kommen wir dieser Vision einen Schritt näher? In Rapperswil-Jona wagen wir den Versuch, von Bettag 23 bis Bettag 24 ein Jahr lang ökumenisch unterwegs zu sein. Unter dem Motto «Vor uns das Leben» werden wir feiern, debattieren, lernen, pilgern, beten, essen, anpacken. Die Einladung gilt allen – wirklich allen – denn leben können wir letztlich nur gemeinsam.