«Steh auf, nimm deine Matte und geh deinen Weg!»
Johannesevangelium 5, 8
Eine lange Wanderung liegt bereits hinter uns. Früh am Morgen waren wir im Dorf Mtae hoch oben in den tanzanischen Usambarabergen aufgebrochen. Unsere Reisegruppe aus Deutschland gemeinsam mit jungen Erwachsenen aus Mtae. Wir in Wanderschuhen, sie in Flipflops. Zu dieser Zeit hat noch niemand von uns ein GPS-Gerät. Und wir haben zu wenig Wasser dabei, das wird uns schnell bewusst. Der Weg führt uns zunächst hinunter in die Ebene, anschliessend in eine Massaisiedlung und dann noch ins Dorf Mnazi. Doch da passiert es plötzlich: Gerade hatten wir noch die kleine Dorfkirche angeschaut, als mir auf einmal schwarz vor Augen wird. Ich spüre noch, wie mir jemand unter die Arme greift. Als ich wieder zu mir komme, liege ich auf einem Tisch in einem dunklen Raum. Über mir lauter Gesichter mit freundlichen Augen. Ich weiss nicht, wie lange ich ohnmächtig
gewesen bin. Am liebsten möchte ich gleich wieder aufstehen, aber die Frauen um mich herum hindern mich behutsam daran und reichen mir stattdessen ein Glas süssen Schwarztee. Dankbar trinke ich ihn in kleinen Schucken. Eine Welle von Mitgefühl erreicht mein Herz. Sie reden in Swaheli auf mich ein, lachen und zwinkern mir zu. Ich verstehe nur wenig von dem, was sie sagen. Aber das Wichtigste ist: Sie lassen mich nicht allein. Langsam spüre ich, wie der Zucker wirkt und mein Kreislauf sich wieder stabilisiert. Irgendwann reicht mir eine der Frauen die Hand. «Steh auf und geh!» klingt es in meinen Ohren. Etwas wackelig auf den Beinen mache ich mich wieder auf den Weg zu meiner Reisegruppe. Als ich Jahre später wieder in die Usambaraberge komme, treffe ich Frauen, die damals bei mir geblieben sind. Sie zwinkern mir zu. «Ja», denke ich, «ihr habt mir geholfen.»■
Text: Pfarrerin Katharina Hiller | Foto: Weltgebetstag Schweiz29