Besuch Jüdischer Gemeinden in Zürich

Einen aussergewöhnlichen Einblick in die Kultur und das Leben jüdischer Religionsgemeinschaften erlebten die Teilnehmer der katholischen und evangelischen Kirche Rapperswil-Jona am Abendrundgang in Zürich – als Zusatzprogramm zur ökumenischen Vortragsveranstaltung zum Judentum.

Wie im Christentum gibt es auch im Judentum die verschiedensten Glaubensrichtungen: Ultraorthodox, liberal orthodox, Reformjuden, Chassidim etc. Diese unterscheiden sich beträchtlich in Sachen religiöse Aufgaben und Rollenverteilung. Bei den Liberalen Juden und Reformjuden z.B. sind die Frauen den Männern möglichst gleichgestellt. Es gibt sogar Rabbinerinnen. Das Judentum beinhaltet nicht nur Religion, sondern eine Gesamtheit aus Kultur, Geschichte und Tradition.
Die Teilnehmer erlebten vier jüdische Gemeinden in Zürich von ultraorthodox bis liberal und tauchten in eine fremde Welt ein. Der Abendrundgang wurde als  Zusatzangebot zur ökumenischen Vortragsveranstaltung zum Judentum angeboten.

Besuch einer Jüdischen Synagoge und weitere Institutionen

Lic. phil Michel Bollag, Co-Leiter des ZIID (Zürcherisches Institut für interreligiösen Dialog), der Tora in Jerusalem studierte und Pädagogik, Psychologie, Philosophie in Zürich, empfing die rund 25 Teilnehmer der ökumenischen Besuchsrunde in Zürich. Ein Besuch der grössten und ältesten Synagoge an der Löwenstrasse 10 stand auf dem Programm. Heute leben 18 000 Juden in der Schweiz, davon rund 6000 in Zürich. 1862 wurde die Israelitische Cultusgemeinde (ICZ) in Zürich gegründet. Ihre Synagoge steht an der Löwenstrasse. Wie viele andere Synagogen im 19 Jahrhundert wurde diese 1883 im maurischen Stil errichtet, war den Erläuterungen von Bollag zu entnehmen. Die jüdische Gemeinde wählte diese Bauweise bewusst als Signal «Wir sind angekommen und Bürger einer europäischen Stadt» sowie in Anknüpfung an die kulturelle Hochblüte in Spanien mit einer Politik der Öffnung und Aufklärung, die von Christen, Juden und Muslim damals gemeinsam getragen wurde. Auf der Fassade prangt ein Schriftsatz aus Jesaja «Mein Haus wird ein Haus des Gebetes sein». Die Synagoge ist ein heiliger Ort und dient der jüdischen Gemeinschaft – in diesem Falle einer liberal orthodoxen Gemeinde – als Gotteshaus für Gebet, Schriftenstudium und Unterweisung. «Es gibt keine Bilder. Der Schrein und die Tora verkörpern das Heilige», berichtete Michel Bollag.

Später besuchte die Gruppe noch weitere jüdische Einrichtungen im Kreis 2, wo nebst Kreis 4 die meisten jüdischen Familien wohnen. Die ultraorthodoxe Israelitische Religionsgesellschaft (IRG) mit ihrer Synagoge an der Freigutstrasse spaltete sich 1895 ab. In der Nähe des Hürlimann Areals befindet sich eine weitere orthodoxe Einrichtung mit Kindergarten. In der Nähe des Rietberg Museums besuchte die Gruppe die jüdisch orthodoxe Schule Noam und erfuhr viel Wissenswertes zur  jüdischen Kultur und Erziehung. Die Schule wird als Tagesschule geführt mit Primar- und Sekundarklassen. Die Schüler erhalten nebst dem normalen profanen Schulunterricht, eine Einführung in ihre Religion und Kultur sowie intensiven Sprachunterricht nach neusten Methoden. Meist könnten sich die Schüler innert 2 Jahren auf Hebräisch verständigen.

Jüdischer Gottesdienstes

Strenge Sicherheitsvorschriften erlauben lediglich eine beschränkte Besucheranzahl in der Synagoge an der Löwenstrasse. Die Besucher betraten das Gebäude durch eine streng bewachte Eingangsschleuse. Leider seien solche Sicherheitsvorschriften in der heutigen Zeit von Nöten – auch bei den übrigen jüdischen Institutionen. Die Kosten dafür werden von den Gemeinschaften  selbst getragen. Der Gebets- und Versammlungsraum ist sehr schlicht: Mit Empore für die Frauen (diese konnte aufgrund von Denkmalschutz-Auflagen nicht umgebaut werden), mit einem durch ein Tuch verdeckten Schrein, der 12 Tora-Rollen beinhaltet, dem darüber hängenden «Ewigen Licht» und den blauen Lichttafeln auf beiden Seiten, die an die Schoah erinnern sollen. Die Tora- Rollen beinhalten die fünf Bücher Mose und sind laut Bollag von allen heiligen Büchern die Allerheiligsten. Aus einer Tora-Rolle wird jeweils am Sabbat von der Pipa (Erhöhung) aus vorgelesen. Wobei dieses Lesen eher ein Singen sei. Für einen Gottesdienst braucht es zwingend einen Vorredner, der die Gebetsordnungen kennt. Im Jahresrhythmus wird jede Woche ein anderer Abschnitt aus der Tora verlesen bis nach einem Jahr wieder alles von vorne beginnt. Nach Abschluss wird das sogenanntes Abschluss und Freudenfest gefeiert. Unter der Woche, jeweils am Montag und Donnerstag, werden nur kleine Abschnitte aus der Tora studiert. Denn ein Jude sollte keinen Tag ohne die Heilige Schrift verbringen. Die Tora ist auf Tierhaut (Pergament) geschrieben von rechts nach links, in einer rein konsonantischen Schrift. Jeder Buchstabe habe eine eigene Bedeutung. Der Talmud besteht aus zwei Teilen der Mischna und der Gemara und enthält selbst keine biblischen Gesetzestexte (Tora), sondern zeigt auf, wie diese Regeln in der Praxis und im Alltag von den Rabbinern verstanden und ausgelegt wurden. (Wikipedia). Vieles beinhalte Interpretationsspielraum, sei diskutierbar und entwickle sich weiter, so Michel Bollag.

Es war für die Teilnehmer eine spannende Begegnung und zeigte auf, wie das Judentum in Zürich aktiv gelebt wird. Organisiert wurde der Anlass von den katholischen und evangelischen Kirchgemeinden Rapperswil-Jona gemeinsam.

Bericht und Foto: Antoinette Lüchinger

Einen aussergewöhnlichen Einblick in die Kultur und das Leben jüdischer Religionsgemeinschaften erlebten die Teilnehmer der katholischen und evangelischen Kirche Rapperswil-Jona am Abendrundgang in Zürich – als Zusatzprogramm zur ökumenischen Vortragsveranstaltung zum Judentum.