Die Johannespassion – theologisch betrachtet

Seit sechs Jahren lehrt Prof. Dr. Jörg Frey an der theologischen Fakultät der Uni Zürich. Die Johannespassion von Johannes Sebastian Bach sei sozusagen sein Steckenpferd und packe ihn immer wieder. Er bezeichnete diese als typisch protestantisch.

Das Johannesevangelium im Vergleich

Im Gegensatz zur Matthäus-Passion werde bei Johannes die Herrlichkeit Jesu hervorgehoben und nicht das Leiden Christi – Heil im Gegensatz zu Kreuzigung und Tod. Stellt man die beiden Passionen nebeneinander, so weist diejenige von Johannes laut Prof. Frey klar eine österliche Perspektive auf. Der Evangelist Markus berichte von Jesu Gottverlassenheit am Kreuz, Lukas lasse ihn wie ein frommer Jude sterben. Johannes hingegen triumphiere mit den Worten "Es ist vollbracht" und schildere Jesus als Retter, Gottessohn und Gesandter, der seinen göttlichen Auftrag erfüllt. Für die Menschen dazumal war diese Sichtweise komplett neu. Jesus wird im Johannesevangelium und in Bachs Johannespassion in Vollmacht dargestellt, als einer, der sich selbst ausliefert, sich zu erkennen gibt, nach Gottes Willen handelt, in Stellvertretung für uns Menschen den Tod am Kreuz erleidet und damit den Sieg über Sünde und Tod erringt als wahrer König und Gottessohn.

Spezifische Besonderheiten der Johannespassion

Im Prozess mit Pilatus wird die aufgebrachte Menge vom Evangelisten Johannes als Juden tituliert. Die Truppe, die Jesus gefangen nimmt, fällt in seinem Bericht zu Boden, als Jesus im Verhör bekennt: "Ja ich bin es!". Das ganze Auftreten von Jesus während des Pilatus Prozesses ist hoheitsvoll. Die Szenen unter dem Kreuz mit dem Lieblingsjünger Jesu und seiner Mutter Maria gingen in die Kunstgeschichte ein; ebenso die symbolische Szene mit dem Lanzenstich nach Jesu Tod und der Seitenwunde, aus der Blut und Wasser austrat. Auch die Gefangennahme von Jesus im Garten Gethsemane weist Besonderheiten auf: Jesus wirkt nicht überrascht, weiss er doch, was kommt. Er zeigt sich auch nicht wehrlos, sondern besteht auf den freien Abzug der Jünger. Im Verhör tritt Jesu souverän auf und fragt seine Peiniger: "Warum schlägst du mich?" Mit dieser Szene wird laut Frey aufgezeigt, dass sich ein Christ durchaus verbal wehren darf. Und Jesus vermag Pilatus von seiner Unschuld zu überzeugen. Sowohl politisch wie theologisch ist damit die Schuldfrage geklärt. Nicht Jesus steht hier nach Frey in der Schuld, sondern diejenigen, die ihn verurteilen. Auf dem Kreuzweg trägt er laut Johannes sein Kreuz selbst ohne weitere Hilfe. Und noch am Kreuz organisiert Jesus seine Stellvertretung. Sein Lieblingsjünger nimmt nun seinen Platz ein und sorgt für die Mutter Maria. Die Stellvertretung ist eine zentrale Aussage im Johannesevangelium und wird immer wieder thematisiert. Selbst in der Sterbeszene zeigt Jesus Vollmacht: Er neigt sein Haupt wie ein König und übergibt seinen Geist – respektive sendet seinen Geist aus an die Gemeinde – der an Pfingsten sichtbar wird. Der ganze Prozess wirkt indirekt wie ein Krönungsakt: Der König wird proklamiert, er wird gekrönt mit der Dornenkrone, man erweist ihm spöttisch Ehre und schliesslich wird er erhöht am Kreuz.  Diese Dramaturgie ist nicht von Menschen inszeniert, bekräftigt Frey, sondern dahinter wird Gottes Wille sichtbar. Bach greift diese Sichtweise in seinen barocken Arien und den reformatorisch anmutenden Chorälen auf, verkündet Heilsgewissheit und thematisiert den Gedanken der Stellvertretung: "Er wird gefangen – wir werden frei". Den Schlussakkord setzt Ostern mit der Auferstehung Jesu. Nur so macht das ganze Geschehen Sinn mit Jesu Sieg über die Finsternis und den Tod.

Prof. Dr. Meinrad Walter von der Musikhochschule Freiburg im Breisgau wird in seinem kommenden Referat am 9. März zum Thema "Musik und Theologie von J.S. Bachs Johannespassion" Einblick in die Entstehung dieses Werkes geben und das Werk als ein „komponiertes Gebet“ aufzeigen und erläutern. Die Aufführung der Johannespassion erfolgt am Karfreitag, 25. März in der reformierten Kirche Rapperswil.  Die Vortragsreihe zur Johannespassion dient der Vertiefung.

Mittwoch, 9. März, 19.30 Uhr, im Evangelischen Zentrum Rapperswil, Zürcherstrasse 14

Seit sechs Jahren lehrt Prof. Dr. Jörg Frey an der theologischen Fakultät der Uni Zürich. Die Johannespassion von Johannes Sebastian Bach sei sozusagen sein Steckenpferd und packe ihn immer wieder. Er bezeichnete diese als typisch protestantisch.